Neue und alte Realitäten

Onlineunterricht, Hybrides Lernen und Lehren, Präsenzunterricht, Schichtbetrieb

Ein Jahr der permanenten Umstellungen liegt hinter uns, mit Formen des Unterrichtens, die für die meisten von uns neu waren. Mittlerweile kennen wir eine Reihe von Realitäten: 

  • Präsenzunterricht – alle unsere Schüler/innen befinden sich in der Klasse 
  • Distance Learning – alle arbeiten von daheim aus 
  • Hybridunterricht – ein Teil der Schüler/innen ist in der Klasse, ein Teil daheim, wie z.B. im Schichtbetrieb, und wird über Videokonferenz zugeschaltet 

Dazu kommen noch jene Fälle, wo die Schüler/innen eigentlich in der Klasse anwesend sind, einzelne aber nicht, weil sie sich in Quarantäne befinden, oder die Lehrkraft von zu Hause aus unterrichtet. 

Wie mit all diesen neuen Varianten zurechtkommen? 

Muss man denn da jetzt alles anders machen als im guten Präsenzunterricht?  

Die Antwort ist NEIN. Die Grundprinzipien guten Unterrichts gelten nach wie vor, nur der Umstieg auf Onlineunterricht bringt sowohl für Lehrer/innen als auch für Schüler/innen neue, andere Herausforderungen. Diese sind technischer, aber auch persönlicher Natur. Lehrende und Lernende müssen sich mit neuen Plattformen, die sich ständig, weiterentwickeln, und deren Möglichkeiten intensiv auseinandersetzen, um einen interessanten und ertragreichen Unterricht zu ermöglichen. Dies erfordert  von allen einiges an Anpassung.  

Abgesehen davon, führen die Tücken der Technik oder eine unzureichende Infrastruktur zu Schwierigkeiten, die man nur mit Gelassenheit und Geduld lösen kann. Gut geplante Unterrichtsstunden, die aufgrund technischer Probleme bei den Schülern und Schülerinnen oder den Lehrenden selbst durcheinandergeraten, verursachen Stress und verlangen viel Flexibilität. Natürlich sind es Lehrer/innen gewohnt, Stunden flexibel zu gestalten und wenn nötig schnell anzupassen, aber online ist das Beobachten bzw. Monitoring einer ganzen Klasse oder von Gruppenräumen (Breakout Rooms) wesentlich schwieriger und somit auch das flexible Reagieren auf Probleme. Onlineunterricht braucht demnach mehr Zeit, die wir uns ohne schlechtes Gewissen geben sollten. 

  • Lernende sind im Onlineunterricht stärker gefordert was Selbstorganisation, Durchhaltevermögen und Motivation betrifft. Es fehlt der direkte Austausch mit den Klassenkameradinnen und kameraden, der im Präsenzunterricht motivierend und verstärkend wirkt. Außerdem ist die Ablenkung im Onlineunterricht wesentlich größer. Welche/r Lernende kommt nicht in Versuchung, vor allem bei ausgeschalteter Kamera, auch andere Seiten zu öffnen als die Videokonferenz? Damit Lernende bei der Sache bleiben, ist Methodenvielfalt und aktive Teilnahme im Unterricht noch wichtiger als im Präsenzunterricht. Die Kapitel Unterrichtsorganisation, Motivation, Einsatz von Technologie, Beurteilung bieten viele Ideen und Anregungen für einen gelungenen Onlineunterricht 

Hybridunterricht, eine spezielle Herausforderung

Im Hybridunterricht gilt es, einerseits mit den Schülern und Schülerinnen in der Klasse gut zu arbeiten, andererseits die Schüler/innen daheim vor dem Computer entsprechend einzubinden, sofern die technischen Voraussetzungen (der Computer in der Klasse verfügt über Kamera und Lautsprecher und ist mit Beamer und Internet verbunden) gegeben sind. Es ist gut vorstellbar, dass uns diese Variante noch länger begleitet, wenn z.B. Schüler/innen in Quarantäne sind.  

Hybridunterricht kann grundsätzlich unterschiedlich konzipiert werden. In manchen Klassen sitzen die Schüler/innen einen großen Teil der Zeit mit Kopfhörern vor dem Tablet oder dem Computer, was den Austausch mit den Lernenden daheim zwar erleichtert, aber den Präsenzunterricht sehr an den Onlineunterricht annähert. Aus unserer Sicht sollte dies eher vermieden werden, auch wenn es für manche Aktivitäten natürlich durchaus Sinn macht, auch im Präsenzunterricht die Möglichkeiten von Handy und Tablet zu nutzen, um die Zusammenarbeit zwischen den Lernenden daheim und jenen in der Schule zu ermöglichen. 

Hier einige Überlegungen zum Hybridunterricht, so wie wir ihn sehen.

Vorteile des Hybridunterrichts

  • Alle Schüler/innen sind immer auf dem gleichen Stand, egal ob sie in der Schule oder zu Hause sind. Auch die Schüler/innen daheim haben die Möglichkeit alles mitzubekommen, was gesagt/gemacht wird. 
  • Der regelmäßige Kontakt mit der Lehrkraft ist gesichert. 
  • Der Austausch innerhalb der Gruppe/Klasse bleibt aufrecht. 
  • Es sind keine gesonderten Arbeitsaufträge für jene Schüler/innen erforderlich, die von daheim aus arbeiten. 
  • Der Umstieg in einen vollen Präsenzunterricht ist leichter.    

Die Einbindung der Schüler/innen daheim beeinflusst die Arbeit mit den Schülern und Schülerinnen in der Klasse jedoch in vielerlei Hinsicht. 

Herausforderungen: 

  • beiden Gruppen, daheim und in Präsenz, den gleichen qualitätsvollen Unterricht zu bieten 
  • an “zwei Orten” gleichzeitig zu sein und keine Gruppe zu vernachlässigen 
    • die Schüler/innen daheim aktiv in den Unterricht einzubinden 
    • die veränderte Dynamik in der Klasse zu berücksichtigen 
    • die Schüler/innen daheim zu beobachten und gleichzeitig auf die Schüler/innen in der Klasse adäquat einzugehen 
  • die Unterrichtsplanung anzupassen
  • alle zur Verfügung stehenden Mittel zu beherrschen und gezielt einzusetzen sowie eventuell auftretende technische Schwierigkeiten zu lösen   
  • mit der verlangsamten Geschwindigkeit des Unterrichts umzugehen 

Tipps und Ideen: 

  • Man plant den Unterricht zuerst einmal entweder als Präsenzunterricht oder Onlineunterricht und passt ihn dann in einem zweiten Schritt für die jeweils andere Gruppe der Schüler/innen an. 
  • Wenn die Herstellung der Verbindung zu den Schülern und Schülerinnen daheim länger dauert, schaffen Miniaktivitäten Abhilfe, die die Schüler/innen in der Klasse inzwischen durchführen. 
  • Die verlangsamte Geschwindigkeit des Unterrichts ist nicht unbedingt ein Nachteil. Leerläufe sind unangenehm, aber bewusst eingebaute “aktive Pausen” geben allen Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit, ihre Beiträge sprachlich und inhaltlich zu planen. Diese aktiven Pausen verhindern außerdem eine Überforderung der Lernenden.  
  • Zwischen mündlichen Beiträgen der Schüler/innen und schriftlichen Beiträgen im Chat zu variieren schafft Abwechslung und kann helfen, Leerläufe zu vermeiden. Wenn die Schüler/innen daheim das von den Schülern und Schülerinnen in der Klasse Gesagte nicht gut hören können (hängt vom Mikro ab), man aber Fragen mündlich beantworten lassen möchte, ist es empfehlenswert, zuerst die Schüler/innen in der Klasse antworten zu lassen. Damit wird vermieden, dass beide Gruppen immer alles doppelt hören. Die Schüler/innen daheim antworten danach, die Lehrkraft ergänzt/korrigiert dann anschließend.  
  • Um ein Gemeinsamkeitsgefühl zwischen der Daheim-Gruppe und der Gruppe in der Klasse zu schaffen ist es hilfreich, z.B. 
    • zu Beginn der Stunde den Kontakt zu den Schülern und Schülerinnen daheim herzustellen; sie z. B. namentlich zu begrüßen, über Kamera und Beamer zu zeigen und eventuell die Schüler/innen in der Klasse aufzufordern sie ebenfalls zu begrüßen.  
    • die Kamera zwischendurch zu drehen und auf die Klasse zu richten (speziell bei längeren Beiträgen oder Präsentationen der Schüler/innen von daheim aus). 
    • Tools wie Mentimeter, Wooclap oder Answergarden zu nutzen. Damit können z.B. Meinungen der Schüler/innen beider Gruppen eingeholt werden oder ein Brainstorming zu einem Thema gemeinsam erarbeitet werden, da die Schüler/innen in der Klasse sehr einfach das Handy nutzen können und kein Computer/Tablet benötigt wird. 
    • kleine Aktivitäten einzuplanen, bei denen ein Austausch von Informationen zwischen den Schülern und Schülerinnen daheim und jenen in der Klasse angeregt wird; die Gruppe daheim kann sich über ein Smartphone mit der Gruppe in Präsenz verbinden. 
  • Das Einrichten von Breakout Rooms für Paar- oder Gruppenarbeiten nimmt einiges an Zeit in Anspruch, und es dauert auch bis die Paare/Gruppen in Schwung kommen. Deshalb sollte ausreichend Zeit eingeplant werden und es sollten Aufgaben ausgewählt werden, die genug „hergeben“. Da die Schüler/innen in der Klasse rascher beginnen können und oft auch rascher fertig sind, ist es manchmal notwendig, sich für diese eine kleine Zusatzaufgabe zu überlegen. 
  • Für Feedback während der Unterrichtseinheit gilt auch im Hybridunterricht, dass möglichst viele Formen genutzt werden sollten, auch um als Lehrer/in Zeit zu haben sich einzelnen Schülern und Schülerinnen zu widmen. 
    • Die Schüler/innen in der Klasse können sich gegenseitig Feedback geben, die Lehrkraft gibt den Schülern und Schülerinnen daheim Feedback, oder umgekehrt (wobei es wichtig ist, dass die Lehrkraft in diesem Fall kurzfristig das Mikro abschaltet).  
    • Unmittelbares direktes Feedback auf Äußerungen von Schülern und Schülerinnen wechselt mit gesammeltem Feedback für alle am Ende einer Arbeitsphase.  
    • Feedback erfolgt mündlich oder schriftlich im Chat.     

Ob Hybridunterricht gut funktioniert hängt natürlich nicht zuletzt von der Größe der Klasse/Gruppe ab. Mit kleineren Gruppen kann es wunderbar klappen alle Unterrichtseinheiten in Hybridform abzuhalten, mit großen Klassen ist es oft zielführender, die Schülerinnen daheim an Arbeitsaufträgen arbeiten zu lassen und sie nur in einzelnen Unterrichtseinheiten per Videokonferenz einzubinden. 

Egal ob Präsenzunterricht, Distance Learning oder Hybridunterricht – wichtig ist es, den Unterreicht so zu gestalten, dass die Schüler/innen aktiv mit Sprache umgehen und so oft als möglich ihr kritisches Denkvermögen und ihre Kreativität angeregt und trainiert wird. Eine Vielzahl an Apps und Online Tools eignet sich dazu und kann helfen, das Interesse am Lernen aufrechtzuerhalten und dabei Sprachenlernen zu fördern – siehe dazu das Kapitel Einsatz von Technologie. Manchmal tut es den Schülern und Schülerinnen aber auch gut, den Computer auszuschalten. Anstatt mit Hilfe von Verständnisfragen kann beispielsweise ein Lese- oder Hörtext auch mittels einer Zeichnung erarbeitet werden. Die Schüler/innen zeichnen was sie verstanden haben, in der nächsten Unterrichtseinheit bzw. Videokonferenz werden die Zeichnungen beschrieben oder erklärt.  

Die Vielfalt von Methoden und Lernformen, deren gezielte und reflektierte Auswahl, die Förderung der Eigenständigkeit der Lernenden einerseits und der Zusammenarbeit zwischen ihnen andererseits, das Eingehen auf Interessen der Lernenden, wann immer es möglich ist, sowie ein positiver, wertschätzender Umgang miteinander sind die Dinge, die guten Unterricht prägen, egal in welcher Form er stattfindet