Teacher Wellbeing…

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… oder die Angst der Lehrer/innen vor dem nächsten Lockdown

Versuch einer Annäherung an ein in der öffentlichen Diskussion vernachlässigtes Thema. 

Schon seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 stehen das Wohlbefinden (oder Un-wohlbefinden) von Schülern und Schülerinnen (und deren Eltern) im Fokus der öffentlichen Diskussion. Der durch die Schulschließungen und die nahezu unvorbereitete Umstellung auf Distance Learning bedingten Situation, in der Lehrer/innen sich wiedergefunden hatten, wurde wesentlich weniger Beachtung geschenkt. Viele Lehrer/innen sind ins kalte Wasser gesprungen und haben sich wagemutig den Herausforderungen von Fern und Hybridlehre und Schichtbetrieb gestellt, viele haben die Chance ergriffen und ihre langjährig geübte Praxis in der Verwendung von Lernplattformen, TechTools und Teaching Apps verfeinert und ausgebaut, andere wiederum sind in einer Art Schockstarre verharrt in der Hoffnung, dass der Spuk bald wieder vorbei sein würde. 

In einer ersten Studie „Lernen unter COVID-19-Bedingungen“ (Universität Wien, 2020) haben Lehrer/innen die Frage nach ihrem Wohlbefinden während des Unterrichtens von zu Hause (noch) mehrheitlich positiv beantwortet.  

17,6% stimmen der Aussage zu, sich gut gefühlt zu haben, 41,4% stimmen der Aussage eher zu (stimmt etwas: 23,1%, stimmt eher nicht: 12,7%, stimmt gar nicht: 5,2%). Ein deutlicher Zusammenhang zeigt sich zwischen Wohlbefinden und Arbeitsüberforderung: Je eher sich Lehrpersonen unter Zeitdruck fühlten und sie ihre Verantwortung belastete, desto niedriger war auch ihr allgemeines Wohlbefinden. 

Einen wichtigen Schutzfaktor stellt die soziale Verbundenheit dar: Je mehr sich Lehrpersonen in der Situation des Lockdowns mit ihnen wichtigen Personen verbunden fühlten, desto wohler fühlten sie sich auch. 

Ein Schutzfaktor auf beruflicher Ebene ist die erlebte Selbstwirksamkeit: Die Überzeugung, berufliche Aufgaben trotz der schwierigen Situationen erfolgreich bewältigen zu können, steht mit höherem Wohlbefinden in Zusammenhang. Insgesamt zeigen diese Befunde die hohe Relevanz von sozialer Verbundenheit (mit wichtigen Personen und mit Schüler/innen) sowohl für das eigene Wohlbefinden als auch für das Erzielen von Lernerfolgen bei den Schüler/innen. (Hervorhebungen: CEBS)

Viele technische Hürden wurden inzwischen abgebaut, ein zweiter und dritter (mehr oder weniger harter bzw. sanfter) Lockdown haben Distance Learning, Schichtbetrieb u.ä. schon fast zur Routine werden lassen … viele emotionale Hürden aber sind geblieben und haben sich, v.a. aufgrund der relativ großen Perspektivenlosigkeit im Lauf der immer wieder neu aufflammenden Pandemie, spürbar verfestigt. Weltweit haben nicht nur Schüler/innen und ihre Eltern, sondern auch Lehrer/innen mit diesen Problemen zu kämpfen. Auch sie dürfen dabei nicht alleingelassen werden. 

Im English Teaching Global Blog von Oxford University Press schreibt dazu u.a. Ahmad Khalil Awad aus Saudi-Arabien über die Herausforderung die Schüler und Schülerinnen in dieser Zeit zu unterrichten, er schreibt auch über die Ängste und Unsicherheiten seiner Schüler/innen in dieser Krise, die ihr gesamtes Denken bestimmte, und darüber, dass er manchmal das Gefühl hatte mit sich selbst zu reden, wie wenn niemand an seinen Online Stunden teilnehmen würde. Ahmad Khalil Awad kommt zu folgendem Schluss: The pandemic has taught me to value everything we have”. Was er damit meint? “Unsere Familien, Freunde, Bücher, das Leben, Haustiere und Länder. Sie hat mich eine unbezahlbare Lektion gelehrt, Dinge nicht als selbstverständlich zu betrachten. Das Leben ist voller Höhen und Tiefen, aber es gibt keinen Berg, der zu hoch ist, und keinen Ozean, der zu tief ist.“ (Übersetzung aus dem Englischen: CEBS) 

Peter D. MacIntyre, Tammy Gregersen und Sarah Mercer kommen in ihrer umfassenden Untersuchung zu Language teachers‘ coping strategies during the Covid-19 conversion to online teaching: Correlations with stress, wellbeing and negative emotions zu ähnlichen Ergebnissen wie die o.a. Studie der Universität Wien.

Wie viele andere Berufsgruppen hatten (und haben) auch Sprachenlehrer/innen in dieser schwierigen Zeit mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten zu kämpfen … der rasche und oft völlig unvorbereitete Umstieg auf Fernlehre, die verschwimmenden Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem, oft bedingt durch das Unterrichten von zu Hause aus, gepaart mit der Sorge um die eigene Gesundheit und die der Familie, führten (und führen) zunehmend zu stressbedingten psychischen Beeinträchtigungen.  Reine Vermeidungsstrategien bringen der Untersuchung von MacIntyre u.a. zufolge eher negative psychologische Folgen hervor als diese erfolgreich und dauerhaft zu bekämpfen, verstärken also besonders Stress, Angst, Wut, Traurigkeit und Einsamkeit.  Lösungsorientierte Bewältigungsstrategien, die von den betroffenen Lehrern und Lehrerinnen auch aktives Handeln einfordern und sie dazu bewegen sich den ungewohnten Herausforderung zu stellen, werden hingegen mit positiveren Ergebnissen assoziiert. Auch wenn die Befunde von MacIntyre u.a. zum Teil wesentlich besorgniserregender sind als jene der o.a. Studie der Universität Wien, verbinden MacIntyre u.a. ihre Arbeit mit der Hoffnung, dass Lehrer/innen künftig besser auf solche Ausnahmesituationen und den persönlichen Umgang damit vorbereitet werden können. 

Sarah Mercer und Tammy Gregersen entwickelten schon im April 2020 ihre ABCDE-Schrittfolge als einen möglichen Weg durch (und heraus aus) der Krise.

A steht für Accept (akzeptieren)

Wenn sich Dinge außerhalb unserer Kontrolle befinden, kann das Stress hervorrufen. Um das Gefühl der Kontrolle zu bewahren, kann es hilfreich sein, die Dinge, die wir nicht ändern können, zu akzeptieren und sie einfach loszulassen. Um uns stärker zu fühlen, können wir unsere Aufmerksamkeit auf die Dinge lenken, die wir beeinflussen und in denen wir aktiv werden können.

 

B steht für Boundaries (Grenzen)

Die Arbeit von zu Hause aus ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Vor allem bedeutet es, dass die Grenzen zwischen unserem Privat- und unserem Berufsleben nicht mehr klar sind, weder physisch noch in Bezug auf die Zeit. So kann es leicht passieren, dass wir das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Aspekten unseres Lebens verlieren. Es kann hilfreich sein, einen Zeitplan aufzustellen, um unseren Tag zu strukturieren, und es kann sinnvoll sein, zu Hause einen Bereich abzugrenzen, in dem keine Arbeit erlaubt ist! Grenzen können uns helfen, ein Gleichgewicht zwischen dem privaten und dem beruflichen Bereich unseres Lebens zu gewährleisten.

 

C steht für Connect (verbinden).

Viele haben den Begriff „soziale Distanzierung“ kritisiert. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, uns physisch von anderen zu distanzieren, aber wir brauchen soziale Verbindung mehr denn je. In Zeiten von Stress und Ängsten gewinnen Menschen Kraft aus dem Kontakt mit anderen. Es ist gut, soziale Gewohnheiten online aufrechtzuerhalten – bestehende soziale Netzwerke zu pflegen und vielleicht neue zu schaffen. Während wir unser Zuhause mit Menschen teilen, die uns wichtig sind, und deren Nähe eine wertvolle Form der Unterstützung sein kann, brauchen wir vielleicht auch ein wenig Raum für uns selbst. Stellen Sie sicher, dass Sie und Ihr Partner in der Lage sind, offen über Ihre Bedürfnisse nach Raum und Nähe zu sprechen – das eine schließt das andere nicht aus.

 

D steht für Develop (sich entwickeln)

Wir werden von heute auf morgen in eine neue Unterrichtssituation geworfen und fühlen uns plötzlich wie unerfahrene Lehrer/innen, die sich Sorgen machen, wie sie effektiv unterrichten sollen. Die gute Nachricht ist, dass wir mit Sicherheit nicht allein sind und unsere Schüler/innen dazu neigen, sehr nachsichtig zu sein. Wir müssen unseren Perfektionismus loslassen. Bauen Sie auf Ihre Stärken, geben Sie Ihr Bestes auf Ihre Art und nehmen Sie einen Tag nach dem anderen.

 

E steht für Engage (sich mit etwas beschäftigen)

Viele von uns gewinnen aus dem Unterrichten viel Positives. Sich mit den Lernenden zu beschäftigen, neue Unterrichtsmaterialien zu entwerfen und zu sehen, wie unsere Lernenden wachsen, kann eine der größten Belohnungen in unserem Beruf sein. Wir müssen uns auch bewusst mit Dingen in unserem Leben jenseits der Arbeit beschäftigen, die uns ebenfalls Freude und Vergnügen bereiten. Wenn Sie sich voll und ganz auf etwas konzentrieren, das Ihnen außerhalb der Arbeit Spaß macht, kann das Ihre Stimmung heben, Ihren Geist für eine Weile befreien und eine mentale Atempause schaffen.

(Aus dem Englischen übersetzt und zusammengefasst durch CEBS)

YoungMinds, eine durch Spenden finanzierte britische (Charity-)Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat Jugendliche beim Erhalt ihrer psychischen Gesundheit zu unterstützen bzw. ihnen in Krisensituationen zu helfen, beschäftigt sich in ihrem Beitrag „Supporting your pupils through the COVID-19 pandemic“ auch mit dem Wohlergehen von Lehrern und Lehrerinnen und der Frage, wie sie durch die Pandemie begleitet werden können.

Eine der abschließenden Feststellungen von Mercer und Gregersen (“You are doing enough.“) mag dem Selbstverständnis vieler Lehrer/innen und den hohen professionellen Ansprüchen, die sie sehr oft an sich selbst stellen, nicht immer gerecht werden.

Allen Unkenrufen zum Trotz kann aber festgehalten werden, dass die Jahre 2020 und 2021 in Bezug auf die Bildung Jugendlicher keine (!) verlorenen Jahre sind. Die Frage, wie Lehrer/innen in diesen herausfordernden Zeiten unterstützt werden können, sollte jedoch jeden Tag aufs Neue betrachtet werden. Die 360° Schools´ Community und YoungMinds versuchen darauf Antworten zu geben, u.a. auch jene, die sich vor allem an die Lehrer/innen selbst richtet: BE MINDFUL.